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1350: daz buch von guter spīse



Vorwort 1844


Vorliegende Sammlung von Küchenrecepten, denn ein Kochbuch kann man diese unzusammenhängend aneinandergereihten Vorschriften nicht nennen, gehört dem XIV. Jahrhundert an, und ist der, nunmehr auf der königlichen Universitätsbibliothek zu München liegenden, reichhaltigen Würzburger Pergamenthandschrift entnommen. Sie besteht aus zwei in Grösse und Gestalt ungleichen Theilen; der erste umfasst die durch das Incipit: „dis buch sagt von guter spise" — und das Explicit: „dis ist ein gut lere von guter spise" — deutlich bezeichnete erste Sammlung. Der zweite Theil besteht aus nachträglich und zufällig an jene angefügten Küchenrecepten, welche auch theilweise blosse Wiederholungen der in der ersten Sammlung enthaltenen Vorschriften sind. In den durch die Thätigkeit des literarischen Vereins bisher veröffentlichten Documenten des Mittelalters und seiner Neige sind schon verschiedene Seiten des letztern repräsentirt worden: das kirchliche Leben in Felix Faber’s Reise nach Palästina und auch in Closener’s Strassburgischer Chronik, das ritterliche in Georg’s von Ehingen Reisen, das dichterische in der Weingartner Liederhandschrift, und das kaufmännische in Ott Ruland’s Handlungsbuch. Sed nostra omnis vis in animo et corpore sita est; daher mag hier wol den Vorschriften ein Plätzchen eingeräumt werden, welche sich mit der Vorsorge für den Leib beschäftigen, und uns somit einen Blick in die culinarische Thätigkeit jener Zeiten werfen lassen. Es wird hiedurch eine Lücke ausgefüllt, welche in der Lebensauffassung derselben nach den bisher gegebenen Denkmälern nothwendig stattfinden musste. Unsere erste Sammlung beginnt und endet mit munteren launigen Ergüssen, aus denen des unbekannten Sammlers Absicht hervorblickt, sich des Lesers Verzeihung dafür zuzusichern, dass er auf so geringfügige Dinge, als da sind Essen und Trinken, so viele Mühe und Zeit verschwendet habe. Allerdings hat unser Sammler diese Art Schamhaftigkeit. mit allen Schriftstellern gemein, welche diesen Gegenstand behandeln. Es scheint, als käme sie bei dem Gedanken: natura paucis contenta! eine gewisse Furcht an, sich gegen das hieraus fliessende Gesetz der Massigkeit durch ihre Arbeiten zu versündigen. Uns will im Gegentheil bedünken, solche Schriftsteller dürften mit offenem Visier und lachendem Munde erscheinen, während Andere, die mit Selbstgenügsamkeit auftreten, vielmehr Ursache hätten zu erröthen. Ganz unumwunden und trocken treten die Meister auf, welche sich bewusst sind, durch ihre Spitzfindigkeit etwas zur Vermehrung des Druckes jener Schraube beigetragen zu haben, durch welche das zur Fortbewegung der Staatsmaschine nöthige Oel aus der untergebreiteten Materie mit steigender Kraft gepresst wird. Freilich wäre die heitere Behandlung eines so trüben, und meist geflissentlich in Dunkel gehüllten Gegenstandes eine grausame Ironie; da die humoristische Besprechung der kulinarischen Kunst im Gegentheil den an sich angenehmen Gegenstand noch verschönert, gleich der geist- und würzvollen Unterhaltung, welche die beste Würze eines frohen Males ist. Ferne davon, dass von eingehender und freier Besprechung der Speise- und Trankbereitung auf die leckerhafte Natur des Besprechers zurückgeschlossen werden könnte, so dass man dadurch gleichsam ein Recht bekäme, ihn unter die „dediti corporis gaudiis, qui per luxum atque ignaviam aetatem agunt, ingenium incultu atque socordia torpescere sinunt" — zu zählen, ferne hievon, soll die Vergangenheit, und vielleicht auch die Gegenwart, unwiderleglich durch Erfahrung beweisen: dass gerade Diejenigen mit scheinbarer Gleichgültigkeit von der Pflege des Leibes sprechen, welche am meisten, ja! zuweilen ausschliesslich, auf Sinnengenüsse dieser Art bedacht sind. Doch wir wollen diese apologetischen Winke nicht weiter ausdehnen; denn hiedurch gewänne es den Anschein, als ob wir selbst an der Güte dieser Sache einigermassen zu zweifeln Ursache hätten. Dass viele dieser Küchenrecepte jetzt noch so, wie sie vorliegen, von den guten Hausfrauen befolgt werden können, bezweifeln wir. Ingwer ist nicht mehr Mode; Zucker hat des Honigs Stelle eingenommen; gegen die wohlschmeckenden Mandeln und den zu häufigen Gebrauch derselben protestiert im Namen der Gesundheit der geistvollste Bespreche dieser Gegenstände, Rumohr; das Wildprät kömmt jetzt auch nicht mehr so oft in Jedermanns Küche; die Fische fliehen unsere von Dampfbooten tief durchfurchten Ströme, und der schmackhafte, leichtverdauliche Reis hat der Kartoffel weichen müssen, die jetzt eine grosse Lücke in hohen und niedern Mägen tagtäglich ein gut Theil des Jahres hindurch ausfüllen muss. Bei alle dem aber gewährt das Anschauen der Nahrungsgegenstände jener Zeiten noch hinlängliches Interesse, um die Mittheilung der vorliegenden wenigen Bogen zu rechtfertigen. Die Namen der Gerichte: „ris von kriechen (Griechen); heidenische kuchen; heidenische haubt; mus von Jerusalem; heidenische (behemmische) erweiz" mahnen an die noch in lebhafter Erinnerung schwebenden Züge gegen die Saracenen und den daraus entsprungenen Verkehr des Abendlandes mit dem Morgenlande. Zu wissen, wie Mönch und Ritter des Mittelalters, ja! sogar Saracenen assen, erregt eine wolerlaubte Neugierde; daher nimmt vielleicht auch manche Hausfrau den Band in die Hand, der diese Bogen enthält, und wird dadurch mit der Herausgabe so längst veralteter Sachen, oder, was noch wichtiger ist, damit versöhnt, dass solcherlei Bücher von dem Eheherrn als egregia supeilex betrachtet und daher zur Vermehrung seiner Liberey angeschafft werden, welches Anschaffen nicht immer von beiden Parteien ratificirt zu werden pflegt. Glücklich! wenn wir durch diesen Beitrag auch so die gute Sache des literarischen Vereins in etwas fordern!

München, im Juli 1844.

DER HERAUSGEBER.

daz buch von guter spīse Sinngedicht