Butter und Käse
"Butter muss, wenn sie gut ist, recht fett glänzen, gelb aussehen, angenehm riechen, süß und lieblich schmecken. Gebirgsbutter ist die beste. Märzbutter, wegen der jungen Kräuternahrung der Kühe, die vorzüglichste. Die Sommerbutter schon wegen der Hitze und der Angst der Tiere, dabei von dem Ungeziefer gequält, nicht so gut. Herbstbutter aber hart, fest und körnig. Winterbutter schmeckt nach Stroh und anderem Winterfutter. Die Butter wirkt den übrigen Fettarten analog, Sie ist schwer verdaulich, verursacht Magendrücken und Übelkeiten, im Übermaß genommen Gasentwickelung. Ranzig geworden erzeugt sie Sodbrennen.
Damit die Butter ein körniges Ansehen gewinne, wird sie oft mit Kreide, Sand oder Schwerspath gemischt. Wenn man die so verfälschte Butter kostet, so bringt sie ein eigentümliches Geräusch zwischen den Zähnen hervor; kocht man sie mit zehn Teilen Wasser auf, so fallen die erdigen und steinartigen Substanzen auf den Boden des Gefäßes, während die Butter obenauf schwimmt. Des frisch ausgepressten Saftes vom gelben Schöllkraut, oder der Goldwurzel — Chelidonium majus — bedient man sich, um der Butter eine schöne gelbe Farbe zu geben. Dass diese Beimischung schädlich ist, wird klar, wenn man weiß, dass Schöllkraut so scharf ist, dass, wenn man den Saft davon auf die Haut bringt, er beißend, ja selbst Blasen erzeugend wirkt. Die Holländer setzen ihrer Butter häufig Alaun zu; eine solche Butter ist weiß, salbenreich und süßlich fett.
Käse besteht aus dem erdigen und fettigen Teile der Milch und ist daher schwer zu verdauen. Allein er gibt ein widerstehendes und kräftiges Nutriment, wenn er einen robusten Magen findet. Im Übermaße genossen macht er dicke und zähe Säfte. Die weichen Käse sind die schmackhaftesten, allein sie erfüllen den Magen und die Gedärme mit einem hässlichen, fast nicht zu verzehrenden Schleim und bringen viele daher rührende Übel. Diese Art Käse ist von Gastronomen zuweilen hoch geachtet, wenn sie ganz faul, daher so riecht wie der bei den Römern vormals so beliebte und von den Ostindern eine Götterspeise genannte Teufelsdreck. Alter Käse ist immer zu sehr reizend, weil er in faulende Gärung übergegangen ist, deshalb schwer verdaulich, er kann selbst giftige Zufälle erzeugen. Der Frommage de brie ist nach meinem Dafürhalten der erste der Welt. Wir erhalten ihn in Deutschland sehr selten unverfälscht. Seit ich diesen Käse kenne, verstehe ich erst die unendliche Tiefe der Sehnsucht in Gothe's „Fischer":
Sie sprach (er, nämlich der Frommage de brie) zu ihm,
sie sang zu ihm,
Da war's um ihn geschehn:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.
Ebenso haben der Vache au vin, der Schachtelkäse, der Stilton, der Chester, der Rochefort und viele spanische Käsesorten Poetisches, Überschwängliches.
Ein Ziegenkäse, den sie auf Elba Recotta nennen, weich und mit Zucker bestreut, ein Mittelding von Milch und Käse, ist vortrefflich und behagt ganz besonders den Damen.
Der Strachino, ein sehr guter Käse, kommt zuweilen nach Deutschland; freilich nicht jene vorzügliche Art, die die Italiener Gorgonzola nennen, die rund ist, während die andere Art, die zu uns kommt, nicht so fein und viereckig ist.
Die Schlesier aßen in ihren alten Zeiten bei ihren Festen Käse mit Gewürznelken; daher das sogenannte Quark- (Käse-) Schießen, welches das war, was nach dem Königsschießen kam, an dessen Stelle aber, bei mehr Aufklärung, das Pomeranzenschießen trat.
Man pflegt bei uns dem Käse durch Orleans eine rote Farbe zu geben. Orleans selbst aber wird mit Cochenille und diese mit Mennige verfälscht. Es kommt Blei in den Käse und dies gibt ihm giftige Eigenschaften. Da alter Käse häufig eine grünliche Farbe bekommt, so hat man, um jungem Käse ein altes Ansehen zu geben, selbst zum Grünspan gegriffen. Welche Folgen ein auf diese Weise verfälschter Käse auf die Gesundheit haben muss, ist leicht zu ermessen.
In meiner Jugend verkehrte ich in einem Kreise genialer Menschen — ich nenne nur Hoffmann, den Verfasser der „Phantasiestücke", und den großen Devrient in Berlin — sehr viel in der damaligen Weinhandlung von Lutter und Wegner am Gendarmen-Markte. Baron L —, unter dem Namen der Armenier sehr bekannt, der Alles kennen und wissen wollte, wurde, als vom Strachino-Käse die Rede war, gefragt, ob er auch Lodi-Käse kenne und ihm ein sehr zart aussehendes Stück Schaumseife unter dieser Firma vorgesetzt. Er machte sich sogleich darüber her, er biss, er kaute; aber je mehr er arbeitete, desto mehr quoll der unglückliche Gegenstand zwischen seinen Kinnbacken; große Blasen — der Baron war, was ihm mitunter begegnete, nicht mehr ganz nüchtern — spielten angenehm in allen Regenbogenfarben aus seinem Munde, Endlich begriff der Unglückliche, dass die Kugel nicht zu überwältigen sei. Sie sind gar kein Mensch, schrie er in unbeschreiblicher Wut seinen Gegner an. Nie mag ein Tiger so gewütet haben; denn hier erzeugte den Schaum nicht bloß die Wut, sondern auch ganz vorzüglich die Seife." (S.71-75)