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Vaerst, Eugen von



Schafe



"Schafe. — Die breitgeschwänzten überstehen, nach Aristoteles, den Winter besser als die langgeschwänzten; ebenso auch die kurzhaarigen vor den langwolligen. Am schwersten überstehen die kraushaarigen den Winter. Aber auch die überwinterten sind in diesem Verhältnis mehr oder weniger angegriffen, und darauf ist für eine gute Tafel wohl zu achten. Die Schafe sind im Ganzen gesünder als die Ziegen; die Ziegen wieder in einem hohem Grade gesünder als die Ochsen.

Das Fleisch aller vierfüßigen Tiere, die in sumpfigen Gegenden weiden, schmeckt schlechter als von denen, die in höheren Gegenden weiden. Diese allgemeine Wahrheit, findet ganz besonders bei den Schafen ihre Anwendung.

Ich bin, sagte der Prinz von Ligny, weniger Egoist als Voltaire, der die Hammel, wie er sich ausdrückte, bloß in der Sauce liebte, und weniger Gourmand als der Herzog von Nevers, der, indem er den Abbe Chaulieu voll Bewunderung eine schöne Schafherde auf grüner Weide poetisch loben hörte, bemerkte, dass vielleicht kein einziger Hammel von entschiedener Zartheit sei.

Die Hammelkeule ist der gewöhnlichste Braten des Bürgers, obgleich er in Wahrheit ein vulgäres Gericht ist. Das englische Leg of mutton ist aber eine klassische Speise. In den Ardennen, namentlich in Marche en Famine, sind die Hammel so schmackhaft wie in England. Ein Hammelkotelette, welches ich auf dem Mont Cenis erhielt, roch wie tausend Veilchen und schmeckte ebenso köstlich.

Welcher Weg, fragte Heinrich IV. eine Hofdame, führt zu Ihrem Herzen? — Der durch die Kirche, war die lebhafte Antwort. Seinem Enkel würde die Prinzessin Soubise wahrscheinlich geantwortet haben: durch ein schmackhaftes Kotelette, von der Erfindung meines Vaters.

Das Lamm, obgleich etwas fade, ist doch unter einigen Formen gut, besonders durch den Spieß und eine gelehrte Sauce. Potenzierte Gourmands bestreichen die Schüssel, auf der es serviert wird, mit ein wenig Assa foetida von der Größe eines Stecknadelknopfs. Der beste Moment für dies Gericht ist der Mai. Lämmer, die zwei und ein halb Monat alt und gut genährt sind, sind die besten. Ein Ragout davon, mit einer Trüffelsauee, ist der Triumph der Küche:

Denn wo das Starke mit dem Zarten,
Wo Kräft'ges sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.

Da ich einmal bei dem Lamm poetisch geworden, so möge man es auch natürlich finden, dass ich das Lammkotelette die Blume, das Madrigal der feinen Kochkunst nenne, wie das Hammelkotelette das Sonett derselben. Ein Lammkotelette sautée aux champignos, sauce tomate, ist das Sublimste, was die Küche bieten kann; man sollte es nur au petit souper unter vier Augen genießen.

Hammel- und Kalbsfüße auf dem Rost gebraten, ohne alle Zutat, am wenigsten mit der bekannten Mehlbutter-Mischung, geben ein nahrhaftes, gesundes und schmackhaftes Essen, welches schwer zu verderben ist. Kalbsfüße geben überdies ein leichtes und nahrhaftes Gallert, sie müssen vier Stunden gekocht werden mit Petersilie und reichlichen Zitronen. Dazu gehört aber unbedingt eine Champagnersauce.

Das Lammfleisch ist eine leichte, feuchte Nahrung, besonders für hitzige und trockene Temperamente. Am besten isst man es gebraten. Auch hat ein ein- oder zweijähriger Hammel schönes, gesundes Fleisch und ist balsamisch von Geschmack, wenn er, wohl verstanden, auf hohen und bergigen Gegenden geweidet hat; doch ist sein Fleisch trockener, dürrer und fester von Fasern als Rindfleisch. Auf fettes Schaffleisch muss man kein Bier trinken, keine Säuren, eingemachte Gurken genießen, weil danach leicht Magenkrämpfe entstehen. Fleisch von ausgelämmerten Schafen und alten Widdern ist kränklich, rohsaftig und virulent.

Nur Engländer gehen mit der Zubereitung des Hammels praktisch und sehr gründlich zu Werke. Welche Sorgfalt verwendet der Brite nicht schon auf seine Zucht und Rasse, auf das Futter, die Lage der Weide, die Qualität des Grases. Lauter Dinge, die man in England wirklich sieht und nicht bloß in Lehrbüchern findet. Zuletzt wird das Tier nach allen Regeln der Kunst gemästet; aber nicht, wie in andern Ländern nach der Stadt getrieben, um erhitzt, erschöpft und in einem fieberhaften Zustande auf die Schlachtbank geführt zu werden; sondern es wird mit der äußersten Sorgfalt für seine Gesundheit, auf einen mit Springfedern versehenen, bequemen Wagen geladen und gehörig gegen Sonne, Staub und Regen geschützt, in kurzen Tagereisen, damit sich das arme Geschöpf nicht fatiguiere, an den Ort seiner Bestimmung gebracht. Dort angelangt, erlaubt man ihm, sich gehörig auszuruhen und von der von jeder Reise unzertrennlichen Erhitzung zu erholen, ehe man es abschlachtet, und selbst dieser Akt wird nach anatomisch- gastrosophischen Regeln, nicht von gewöhnlichen Fleischern, sondern von Personen vollzogen, welche ihr ganzes Leben nur auf die Erlernung dieser Geschicklichkeit verwenden. Endlich wird der Hammel nach allen Regeln der Wissenschaft zergliedert, und die für die Tafel bestimmten Stücke oft mehrere Wochen lang in reiner, kühler Luft getrocknet. Durch dies sinnige Verfahren wird zwar die Kohäsion der Muskeln und des Bluts aufgehoben, das Fleisch mürbe gemacht; keineswegs aber dem Prozess der natürlichen chemischen Auflösung in die Hände gearbeitet, und der Braten erhält denjenigen Grad von Schmackhaftigkeit und Feinheit, den man in England, wo man mit Epitheten nicht sonderlich verschwenderisch ist, mit dem Ausdrucke tender d. i. zärtlich belegt. Frauen und Mädchen sind in jenem vernünftigen Lande bloß sensible, nice oder pretty — gescheit, niedlich oder hübsch —; Hammel dagegen zärtlich, wenn sie so erzogen, gemästet und geschlachtet worden sind." (S.79-83)

Würste Wild