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Gastrosophie


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Vaerst, Eugen von



Wildes Geflügel



"Der Fasan hat hier unbezweifelt den ersten Rang, aber nicht der aus der Fasanerie, sondern der aus der Wildnis; denn nur da ist er von königlichem Geschmack. Der kostbarste Schatz des Argonautenzuges war nicht das goldene Vlies, sondern der Fasan von den Ufern des Phasis, daher auch der Name. Noch heut zu Tage sind die aus Kolchis und Mingrelien die schönsten und größten, die man kennt. Marco Polo versichert, dass die den Tataren unterworfenen Länder die größten und langgeschwänztesten Fasanen liefern. Nach dem ersten Frost sind sie am schmackhaftesten. Ein Freund von mir ließ sie mit bestem Erfolg in seiner Fasanerie poulardieren: sie wurden fetter, und das Fett ist selten ihr Vorzug. Bei uns sind wohl die böhmischen die vorzüglichsten, weil sie mehr wild als z.B. die schlesischen sind. Nach Peter dem Martyr waren Fasanen und Pfauen zu seiner Zeit dem gemeinen Volke in Spanien zu essen verboten.

Mulcaß, König von Tunis, der zu einer Zusammenkunft mit Kaiser Karl V. nach Neapel kam, ließ die Gerichte mit wohlriechenden Spezereien in solchem Maße füllen, dass unter anderm zwei Fasanen und ein Pfau 200 Dukaten kosteten. Es wurden aber auch, als man sie zerlegte, (nach Montaigne) nicht nur der Saal, sondern alle Gemächer seines Palastes und die Straßen umher mit einem sehr lieblichen Geruch erfüllt, der sich nicht sobald wieder verlor.

Das Rebhuhn ist zart, gesund und leicht verdaulich; am schmackhaftesten, wenn es sich von Weizen genährt hat. Das Rebhuhn hat zwei Eigenschaften die man selten vereint findet — es ist sehr saftreich, ohne fett zu sein.

Glauben Sie, fragte ein Philosoph ein Weltkind, dass es dem Menschen erlaubt ist, ein Rebhuhn zu töten?— Ganz gewiss, war die Antwort, wenn der Mensch auf seinen, eigenen Terrain oder dort jagt, wo er ein Recht dazu hat, und wenn — die Jagd auf, und nicht gerade Schonzeit ist. — Sie verstehen mich nicht, entgegnete der Philosoph, ich frage, ob Sie glauben, dass der Mensch, und wenn er auch nicht gegen die drei von ihnen gestellten Bedingungen verstößt, das Recht hat, ein Rebhuhn, ein Geschöpf Gottes, zu töten? — Unbezweifelt, besonders wenn er essen will! — Sie glauben, fuhr der Philosoph in unerschütterlicher Ruhe fort, dass man ein Rebhuhn essen darf? und Jener entgegnete ebenso ernst: Ja, wenn es gut, wenn es a point gebraten ist.

Aber Pythagoras? sagt das Gegenteil, ich weiß es und bedaure ihn. Aber die Frage ist: ob wir die Rebhühner essen sollen, oder sie uns. Die Rebhühner haben jährlich fünfzehn bis zwanzig Junge, lassen wir sie und ihre ganze Nachkommenschaft zehn Jahre in Ruhe, so werden sie zahlreicher als die Fliegen sein und. sie werden Korn und Hafer und alle Weintrauben obenein verzehren. Ergo, essen wir die Rebhühner, weil wir der Pferde bedürfen; essen wir sie, weil wir gern Wein trinken und besonders weil wir Brot nicht entbehren können. Pythagoras war ein großer Philosoph, aber er verstand nichts von der Küche; ich lasse ihn reden und esse Rebhühner und was mir sonst schmeckt. Es ist übrigens ausgemacht: wenn man auf alle Welt hören wollte, so dürfte man Niemand essen.

Das Haselhuhn lebt einsam in den Haselgebüschen des mittlern Europa. Das schwedische (Hjärpe) ist das schmackhafteste von allem Geflügel; man kann sich in Deutschland bei strengem Frost leicht der gleichen von Schweden kommen lassen. Das Haselhuhn ist mürbe, zart, gesund und sehr delikat. Man tut gut, dasselbe vor seiner Zubereitung in eine Mischung von halb Wein und halb Weinessig zu legen. Wegen ihres delikaten Geschmacks haben sie im Lateinischen den Namen Bonasa erhalten, und in Ungarn heißen sie Tschasarmadar, was ebenso viel als Kaiservogel heißt, weil ein solcher Braten nur für die kaiserliche Tafel gehöre. Er ist (nach Geßner) das einzige Wildbret, das auf fürstlichen Tafeln zwei Mal aufgetragen wurde.

Schnepfen und Bekassinen sind fett und wohlschmeckend, am besten sind sie im Herbst. Der Kaiser Tiberius gab dem Asellius Sabinus ein großes Geschenk (8000 Taler) für ein Gespräch zwischen den über ihren Wert streitenden Schnepfen, Austern, Krammetsvögeln und Morcheln,

Wachteln sind wohlschmeckend, nahrhaft, aber schwer verdaulich. Im Orient gibt es eine unendliche Menge derselben, in Konstantinopel sind sie das allergemeinste Essen, das Niemand verlangt. Sie kommen auf ihrem Zuge von Russland nach Afrika hier durch und bedecken mit ihren zahlreichen Schwärmen das Land weit und breit. Berühmt ist der Wachtelfang von Capri, der des dortigen Bischofs Haupt = Revenue bildet — wenn ich nicht sehr irre, 5 - 6000 Ducati (1½ Taler), indem gegen 60,000 jährlich auf ihrer Reise von und nach Frankreich und Spanien, auf welcher sie wunderbarerweise auf den Scolien (Felsen von Capri) ausruhen mit Netzen gefangen werden, während sie die andern Inseln in der Nähe nicht berühren.

Die Lerche ist mürbe, nahrhaft, leicht verdaulich. Die Korn- und Sanglerchen sind die delikatesten und unter diesen die Lerchen ohne Busch besser als die Haubenlerchen. Die Heidelerche ist an Geschmack und Güte des Fleisches die schlechtere. Die Lerchen, die sich im Herbst von wildem Knoblauch gemästet haben, sind die gesündesten und zugleich die schmackhaftesten. Der Dr. Lister, der feinschmeckende Leibarzt der noch feiner schmeckenden Königin Anna, der über Naturgeschichte geschrieben hat, behauptet, dass wenn zwölf Lerchen nicht zwölf Unzen wiegen, sie kaum genießbar; dass sie leidlich, wenn sie so schwer, und vortrefflich, wenn sie dreizehn Unzen wiegen.

Krammetsvögel sind ein schmackhaftes Gericht. Die Römer hielten sie das ganze Jahr in großen, viele tausend Krammetsvögel, Ortolane und Wachteln enthaltenden Vogelhäusern. Weil sie sehr gut genährt wurden, vergaßen sie ihre Gefangenschaft, wurden fröhlich und — sehr fett. In Deutschland gab es, bevor sich die russischen Truppen soviel darin umgesehen hatten, mehr Krammetsvögel, denn die Russen verschmähten sie früher und lernten sie erst bei uns schätzen. Der Krammetsvogel hat, wenn er sich mit Wacholder und Ebereschen gemästet hat, ein delikates, gesundes und leicht verdauliches Fleisch.

Die Drosseln fressen in einem Tage soviel als sie wiegen, wie denn im Allgemeinen die Vögel im Verhältnis ihrer Größe mehr fressen als die Säugetiere. Der Grund liegt in ihrer vermehrten und schnellern Tätigkeit.

Die Ortolane. — Man gibt bei uns dem Wendehals den Namen Ortolan. Auch der Wendehals ist sehr schmackhaft. Er fängt sich zuweilen in Sprenkeln; man muss ihm alsbald die Zunge ausreißen, weil er sonst nach Ameisen schmeckt. Die Ortolane kommen im April zu uns und streichen im August wieder weg. Sie sind, wenn man sie fängt, selten fett. Man setzt sie in ein Zimmer, in welches kein Tageslicht kommen kann, und erleuchtet dasselbe mit Lampen, damit die Ortolane nicht Tag und Nacht unterscheiden können; darin lässt man sie frei umherlaufen und gibt ihnen sehr reichlich Hafer und Hirse. Bei dieser Behandlung werden sie außerordentlich fett. Die auf den Ebenen von Toulouse sollen noch schmackhafter sein als die italienischen; diese sind im Winter selten, also teuer. Man versendet sie in mit Hirse gefüllten Kasten weit und breit. Die Ortolane werden in Wasser gekocht, oder in Eierschalen, wie man sonst die Feigenfresser zu bereiten pflegte.

Die meisten Ortolane werden auf der Insel Cypern gefangen; sie werden, nachdem man sie in heißem Wasser etwas hat aufwallen lassen, mit Gewürzen in Essig gelegt, und halten sich dann Jahr und Tag. Es werden jährlich aus Cypern 400 Fässer versendet, jedes Fass enthält mehrere hundert Ortolane. Wenn man sie halbiert und mit Petersilie und geriebener Semmel auf den Rost legt, erhalten sie einen trefflichen Geschmack.

Jedes Tier hat Teile, die besser sind als die andern. Wer wird die Schenkel des Hasen, den Schwanz des Karpfen essen? Bei allen fetten Vögeln, also namentlich bei dem Ortolan, ist das Ende das Beste. Man hüte sich, die Knochen desselben bloß zu benagen; sie wollen zernagt sein. Diese kleinen und überaus zarten Knochen enthalten einen süßen Saft. Ohne Knochen verschwindet der Vogel zwischen den Zähnen, man muss sich zum Zermalmen seiner Knochen Zeit lassen. Diese Operation bringt uns viel nahrhafte Substanzen und ist der Verdauung höchst förderlich:

Der Ortolan a la Provencale kommt in großen, ausgehöhlten Trüffeln nach Paris. So wird er in die Pfanne getan, erhält gleichzeitig gelindes Feuer von unten und oben und wird im eigenen Fette gebraten. Goethe sagt:

Das ist eine von den größten Thaten,
Sich in seinem eignen Fett zu braten.

Entweder er hat vom Ortolan prophezeit, oder er kannte dies Verfahren, und daraus ließe sich auf Gastrosophie schließen.

Der Strauß. — Apirius verschrieb eine scharfe Sauce zu Straußfleisch, was schon allein beweist, dass der Genuss des Straußfleisches bei den Römern üblich war. Auch ließ Heliogabalus einmal das Gehirn von 600 Straußen zu einer einzigen Mahlzeit auftragen. Dieser Kaiser hatte die Grille, täglich nur einerlei Fleisch: als Fasanen, Strauße, Schweine zu essen. Neuere französische Reisende versichern, dass an einem einzigen Straußen sich wenigstens acht Menschen sättigen können.

Flamingo. — Heliogabalus ließ auf seinen Tisch Schüsseln von Flamingozungen bringen. Sueton sagt, daß Vitellius die Delikatessen aus allen Weltteilen zusammenbrachte, bei seinen Gastmälern Lebern von Scaren, die Milch der Muräne, Fasanengehirn und Flamingozungen aufsetzen ließ. Martial, der die Römer wegen ihres verheerenden Geschmacks beschimpft, sagt bei diesem Vogel, dass sein schönes Gefieder stark in die Augen gefallen, und dass seine Zunge ein Raub der Fresser geworden, als wenn diese Zunge ihren verderbten Gaumen ebenso hätte kitzeln sollen, als die musikalische und reizende Zunge der Nachtigall."

Hausgeflügel Butter und Käse