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Vaerst, Eugen von



Hausgeflügel



"Hühner. — Will man eine reine Art haben, so müssen sie besonders ausgesucht werden und einen Hahn von gleicher Rasse haben. Will man die Gattung vervollkommnen, so müssen edlere Arten dazu getan werden. Die Alten haben sogar unsern gewöhnlichen Hühnern mit Erfolg einen Fasan, statt eines gewöhnlichen Hahns beigesellt. Die Eier dieser Brut sind gleich den Fasaneneiern schwarz gesprenkelt, aber größer als diese; sogar mit Perlhühnern ist dieser Versuch geglückt. Obgleich Hahnenfleisch trocken ist, so ist dasselbe doch gut zu Saucen und Gallerten; ja der älteste Hahn ist dazu der beste. Ein altes Sprüchwort sagt: alte Hennen geben fette Suppen.

Geflügel und ganz vorzugsweise das Huhn ist die Zierde der Tafel, das Herz, das innerste Leben derselben. Das Huhn hat den ersten Rang in der Küche, es ist der Protheus derselben, der in hundert Verwandlungen liebenswürdig erscheint; aber es steht nur in Frankreich auf der Spitze seiner Vollkommenheit, sowohl nach seiner Natur, als in seiner kulinarischen Behandlung. Das Huhn erscheint auf den Tafeln Frankreichs doré, d. h. an allen hervorragenden Teilen: der Brusthöhe, dem Rücken, den Schenkeln, Flügeln und der Kapelle, bräunlich gelb; alle zurückweichenden Teile dagegen müssen blendend weiß sein. Dies zu bewerkstelligen ist allerdings ein Triumph der Kunst; mit dem kleinsten Stich oder Schnitt muss aber der saftige Jus herausquellen. Das Mästen, Stopfen, Poulardieren der Hühner wird in Frankreich als Wissenschaft getrieben, und die Normandie und Picardie stehen im höchsten Rufe der Geflügelzucht. Vergebens ist der Wetteifer aller andern Provinzen; denn alle guten Küchen in Paris beziehen von dorther ihr Geflügel.

Als der Prinz Heinrich, Bruder Friedrich's des Großen in Paris Hühner gegessen hatte, tat er alles Mögliche, um in Rheinsberg eine ähnliche Rasse zu erzielen. Er ließ Poulardenhäuser nach den französischen Mustern bauen, mit großen Kosten berühmte Hühnermäster von dort mit den besten Hühnern kommen; aber die Rasse artete sehr bald aus. Man glaubte, es läge am Wasser, welches in der Normandie von vorzüglicher Güte für das Geflügel sein soll. So gehört dem Huhn der Normandie und Picardie unbezweifelt der Preis in Europa; aber der steyrische Kapaun und die warschauer Poularde können sich denselben ganz füglich an die Seite stellen; selbst die neuere hamburger Hühnerzucht erzielt Hühner, welche dem Poulet à la reine von Frankreich kaum noch nachstehen. Dass aber jeder Einzelne bei uns Hühner ziehen, die er für Poularden der Normandie ausgeben und von Chevet getrüffelt zu haben behaupten mag, das hat kürzlich eine sehr werte Anverwandte von mir bewiesen, und der in diesem Punkte sehr kenntnisreiche französische Gesandte, Monsieur d'Andre in Dresden, bezeugt.

Wenn man im Mai mit Maikäfern, die die ersten feinsten Blüten, Keime und Knospen — die Quintessenz von ganzen Wäldern, im Leibe haben, Hühner mästet — Maikäfer sind übrigens ihr Lieblingsfutter — so werden die Hühner sehr fett und schmackhaft. Solche Hühner sind bei uns selten und sollten mit Golde aufgewogen werden, wie bei dem Kreuzzuge Friedrich Barbarossa's, wo man, nach Raumer, in Philippopolis ein Huhn, wegen des Wohlgeschmacks, für acht Ochsen verkaufte.

Durch Unreinlichkeit wird besonders bei uns eine gute Mast der Hühner ganz unmöglich. Man sperrt die Tiere in enge Ställe; ihr eingeweichtes Futter wird ihnen in großer Menge vorgeworfen - ein für die Leute höchst bequemes, aber ganz unpassendes Verfahren. Denn nun wird dasselbe, besonders im Sommer, bald sauer; die Tiere fressen nicht mit Begierde, nicht mit Lust, nur aus Hunger; denn nicht die Menge der Nahrungsmittel, sondern auch ganz besonders die Schmackhaftigkeit würzt Menschen und Tieren die Nahrung und muntert zum Genuss derselben auf. Man muss recht oft und immer recht wenig Futter vorwerfen lassen; aber der Befehl nutzt gar nichts, das tut nur die allerpenibelste Aufsicht. Noch schlimmer ist es mit dem Wasser, welches die Tiere bei ihrer Lebendigkeit und der Ungeduld im ungewohnt eingeschlossenen Raume schnell verunreinigen und die Menschen selten wechseln. Sehr zweckmäßig ist daher, darauf zu sehen, wenn man es nur irgend möglich machen kann, ein fließendes Wasser durch die Wasserrinne des Hühnerstalles, oder wenigstens des Mästungsverschlages leiten zu lassen. Dies wird das sehr schnelle Gedeihen der Hühner zur gewissen Folge haben.

Die berühmte Madame Geoffrin führte zu ihrer Zeit in Paris die hohe Polizei des guten Geschmacks. Bei einer ihrer Mahlzeiten unterbrach sie mehrere Male einen langweiligen Erzähler aus der Fremde. Um ihn endlich zur Ruhe zu bringen, schob sie ihm eine Poularde zum Tranchieren vor, und als sie sah, dass der Erzähler das Tranchiermesser zur Seite liegen ließ, um sich eines kleineren Messers zu bedienen, sagte sie zu ihm: „Mein Herr, um hier zu Lande zu gefallen, muss man bei Tische große Messer und kleine Geschichten zur Hand haben."

Die alten Syrier verehrten die Hühner wegen der Güte ihrer Eier. Pythagoras fand den strafbar, der Hühnereier verzehrt hatte. Man betrachtete das Ei als Sinnbild der Erde und der vier Elemente. Die Schale, sagten die Philosophen, repräsentiert die Erde, das Weiße das Wasser, das Gelbe das Feuer, und die Luft findet sich unter der Schale. Die Römer zogen die länglichen Eier den mehr runden vor.

Nach Fleisch gibt in der Küche Nichts mehr Ausbeute als Eier — sie sind ein Hauptfundament jeder Küche; fast alle Saucen, Ragouts, Entremets, wie die verschiedensten Sorten von Pasteten nehmen Eier in Anspruch. Ohne Eier keine Cremen, keine Mehlspeisen. Eier sind im Allgemeinen ein gesundes Nahrungsmittel, aber ihre Wirkung hängt meist von der Behandlungsart der Köche ab. Nichts ist leichter zu verdauen, gesunder, nahrhafter als ein frisches, Nichts schwieriger als ein altes Ei. Ein Hauptvorteil der Eier ist, dass sie schnell zu Ehren eines unverhofft gekommenen Gastes ein neues Gericht auf die Tafel schaffen und dass sie eine unbeschreibliche Hilfsquelle für alle möglichen Küchenvorteile gewahren. Die allerfeinsten Eier von Geschmack sind die der Perlhühner.

Ente. — Der Mensch, sagt Buffon, hat eine doppelte Eroberung gemacht, da er sich Tiere unterworfen hat, die zugleich Luft und Wasser bewohnen. In der Picardie werden die zahmen Enten am sorgfältigsten erzogen, wie denn auch zugleich die Jagd der wilden Enten dort am ergiebigsten ist. Die Canetons de Rouen sind eins der zartesten Geflügel. Sie sind deshalb so delikat, weil man diese Entenart dort hindert, in das Wasser zu gehen, und sie — avis le lecteur — sehr rein hält.

Gans. — Iohann von Mailand, ein berühmter Arzt, der im zwölften Jahrhundert lebte, schrieb lateinische kulinarische Aphorismen in Versen; von der Gans sagt er sehr richtig:

Gänse wollen immer im Nassen sein,
Lebendig im Wasser und tot im Wein.

Scaliger hat die Gans sehr hochgeschätzt. Nach ihm sind die Gänse das Sinnbild der Vorsicht, weil sie sich bücken, wenn sie unter einer Brücke fortschwimmen, wie hoch der Bogen auch sein mag. Sie sind so verständig, dass sie, wenn sie über den Taurus ziehen, wo viele Adler horsten, in Furcht durch ihr Geschnatter ihre Nähe zu verraten, Steine in die Schnäbel nehmen sollen, um ihre Geschwätzigkeit unmöglich zu machen. Endlich sind sie für die Erziehung empfänglich; denn der Chemiker Memery sah eine Gans, die den Spieß drehte, um Truthühner zu braten. Rausea, Bischof von Vienne, sagt in seinem Leben des heiligen Martin, dass dieser Glückliche alle Tugenden der Gänse gehabt habe; dass er mäßig, enthaltsam und wachsam gewesen sei. Die ersten gallischen Christen gaben den Gänsen einen Patron in der Person des heiligen Ferreol, von dem Rabelais sagt dass er Nichts geliebt habe als junge frische Mädchen und fette Gänse.

Die Gans hat ein widrig rotes, zähes, hartes, schwer verdauliches Fleisch. Eine junge, magere, im Freien erzogene, frisch gebratene Gans ist zum Genusse die gesündeste. Ich lasse sie mir am Martinstage gefallen: damit habe ich genug fürs Jahr. Nicht öfter verlange ich das damit verwandte zahme Entenfleisch, und mit Tauben — ich nehme natürlich die a la Provencale rühmlichst aus — bitte ich mich, außer in der Suppe, gänzlich zu verschonen.

Die Gänselebern feuchteten die Römer, gleich nach dem Schlachten der Gans, mit Milch an, um ihnen noch mehr Umfang zu geben. Ganz weiße, mit Feigen gemästet, gehörten (nach Horaz) zu den Delikatessen der römischen Großen. An manchen Orten sticht man den Gänsen, die man mästet, die Augen aus, damit sie von nichts Äußern zerstreut werden; es ist aber wenigstens menschlicher, ihnen bloß die Augen zu verbinden, wodurch dasselbe, ohne die schmerzliche Operation, erreicht wird. Auch hängt man sie in Säcke auf, damit sie sich weniger bewegen können. Eine gewiss geistreiche Gans, deren Leber schon so groß als sie selbst war, legte sich eines Tages die natürliche Frage vor: Wer bin ich denn? Bin ich die Gans oder bin ich die Leber?

Merkwürdig ist's, dass von den beiden, im Allgemeinen ihres Fettes wegen für am ungesündesten gehalten Fleischarten: dem Schwein und der Gans — letztere jedenfalls ungesunder wegen der Tranigkeit des Fettes — das geräucherte und gesalzene Fleisch so sehr geliebt wird. Denn von der Gänsebrust gilt, nur im mindern Grade, Alles, was vom rohen Schinken gilt.

Truthühner sind zart und saftig, fein von Fasern, schön von Farbe, trefflich von Geschmack. Der bekannte Baron Pöllnitz sendete Friedrich dem Großen (nach Preuß) einen mit Wallnüssen gemästeten Truthahn, den der König vortrefflich und wie einen Straußen groß fand. Ich habe solche Fütterung probat gefunden. Die strasburger, mit Trüffeln gefüllten, die weit und breit versendet werden, sind die vorzüglichsten. Von Anfang November bis Ende Februar werden (nach Brillat-Savarin) in Paris 36.000 getrüffelte Truthühner verzehrt, und das Stück etwa mit 20 Francs bezahlt. Eine gleiche Summe, meint er, wird in dieser Zeit für getrüffeltes anderes Federvieh bezahlt, was etwa 2½ Millionen Francs gibt, ein hübsches Sümmchen. Aber der Preis ist durchaus nicht fest und richtet sich nach dem Trüffeljahre. Indes ist mir in meiner mehrjährigen Erfahrung niemals vorgekommen, dass ein truffé de Perigord in Paris für 20 Francs zu haben sei. Soviel kosten ein Paar Rebhühner oder eine kleine Poularde. Ich sah sie immer mit 80 bis 100 Francs bezahlen und erinnere mich, dass sie im Winter von 1837 bis 1838 mit 300 Francs bezahlt wurden. I. H. Voß singt vom Puter:

Romantisch siehst du aus, o Puter,
Doch schmeckst du klassisch, Seelenguter."

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