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Kirchliche Gebote


Auf Grund der Ausbreitung des christlichen Glaubens folgten europaweit immer mehr Menschen den kirchlichen Speisegeboten. Diese Speisegebote untersagten für alle Fastentage den Verzehr von Fleisch sowie für besonders strenge Fastentage auch den Genuss von tierischen Erzeugnissen wie Milch, Käse und Eier. Die Anzahl der Fastentage schwankte regional und im Zeitverlauf. Ein Jahr wies nicht selten bis zu 150 solcher Tage auf. Europaweit entwickelten sich ähnliche Lösungen, um mit diesen Geboten umzugehen. Zu einem gewissen Grade förderten die kirchlichen Speisegebote damit eine Homogenisierung der europäischen Küche des Mittelalters. Stockfisch und Salzhering wurden während der Fastenzeit im ganzen spätmittelalterlichen Europa gegessen. Die Verwendung von Mandeln und Mandelmilch als Ersatz für Milch und Eier findet sich in fast allen bürgerlichen und adeligen Küchen des Mittelalters.
Fang von Neunaugen. Fische zählten zu den erlaubten Fastenspeisen. Tacuinum Sanitatis, 15. Jahrhundert

Nicht an allen Fastentagen wurde von den Gläubigen verlangt, dass sie auch die Anzahl der Mahlzeiten oder die Portionen deutlich einschränken mussten. Beispielsweise lud Ludwig IX. im 13. Jahrhundert die Mönche eines Klosters in Sens zu einem sehr üppigen Fastenmahl: „Wir hatten zuerst Kirschen, dann sehr weißes Brot, dazu kredenzte man uns vom besten Wein in Hülle und Fülle… Danach reichte man uns junge, in Milch gekochte Saubohnen, Fische und Krebse, Aalpasteten, zimtbestreuten Reis mit Mandelmilch, dann gebratenen Aal in einer sehr guten Sauce, Rundbrot und Quark und zum Schluss eine Menge Früchte“, hielt einer der Teilnehmer fest. Nur an den Fastentagen vor Ostern waren die Gläubigen angehalten, lediglich eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. In dieser strengen Fastenzeit waren ihnen auch Milch, Eier, Butter und Käse verboten. Erst im Spätmittelalter konnten sie sich die Erlaubnis erkaufen, auch in der vorösterlichen Zeit Milchprodukte zu verzehren. Ausgenommen von den Fastengeboten waren Kinder, Alte, Kranke, Pilger und Bettler. Die strenge Fastenzeit vor Ostern wurde von vielen als harte Prüfung verstanden, und zahlreiche Überlieferungen berichten von Versuchen, die Regeln zu umgehen. Weil Fisch üblicherweise zu den erlaubten Speisen gehörte, wurde der Begriff „Fisch“ mitunter sehr großzügig ausgelegt: Je nach (regionaler) Auslegung fielen darunter nicht nur Wale, Muscheln und Krebse, sondern auch andere Tierarten, die in ihrer Lebensweise stark ans Wasser gebunden waren, beispielsweise Weißwangengans, Papageientaucher und Biber. Diese Auslegungen waren jedoch umstritten. Kaiser Friedrich II. bezweifelte beispielsweise, dass die im Herbst an der Küste Nordeuropas auftauchende Weißwangengans in Muscheln heranwachse und man sie deswegen als Fisch einordnen könne. Er vermutete richtig, dass man sie nur deswegen nicht beim Brüten beobachte, weil sie ihre Brutreviere in einer weit entfernten Gegend habe.

Völlerei galt als Sünde, und alle Christen waren zur Mäßigung aufgerufen. Die häufige Aufforderung, sich bei Tisch zurückzuhalten ist Hinweis, dass dem Gebot der Mäßigung nicht überall gefolgt wurde. Insbesondere in der frühmittelalterlichen Adelskultur galt reichhaltiges Essen im Gegensatz zur christlichen Ethik als Zeichen hohen gesellschaftlichen Ranges. Wahre Mäßigung zeigte, wer sich angesichts einer überbordenden Tafel zurückhielt. Der Ruf von Ludwig IX. als beispielhaft frommer Mensch basierte auch darauf, dass er inmitten der Pracht des französischen Königshofes eine strenge Diät hielt und an Freitagen sich zeitweilig auch Fisch und Obst versagte. Wer dagegen trotz Wohlhabenheit nur ein spärliches Mahl servierte, setzte sich der Kritik aus, denn zum mittelalterlichen Ideal gehörte es, Bedürftige mit den Überbleibseln der Mahlzeit zu versorgen. Die Forderung nach Mäßigung hatte auch Einfluss auf die Anzahl der Mahlzeiten. Das Frühstück galt als ein zu frühes Brechen des nächtlichen Fastens, auf das daher viele Angehörige des Klerus und Adels bewusst verzichteten. Handwerker und Bauern, deren Tagwerk mit dem Sonnenaufgang begann, aßen aus praktischen Gründen sehr früh am Morgen ihre erste Mahlzeit. Auch von Alten, Kleinkindern und Kranken sowie von Frauen wurde ein Verzicht auf das Frühstück nicht erwartet. Die wichtigste Mahlzeit des Tages wurde üblicherweise in den späten Vormittagsstunden gegessen; es war umfangreicher und gehaltvoller als das Abendessen, das in die späten Nachmittagsstunden fiel. Frankfurter Ratsherren des Spätmittelalters beispielsweise begannen bereits um 6 Uhr in der Frühe mit ihrer Sitzung. Von 10 bis 11 Uhr wurde ihnen Mittagessen serviert. Abendessen folgte zwischen 16 und 18 Uhr. Große Bankette oder späte abendliche Mahlzeiten, bei denen viel Alkohol getrunken wurde, galten als unmoralisch. Insbesondere letzte wurden mit Spielsucht, Trunkenheit und lüsternem Verhalten in Verbindung gebracht.

Hunger und Mangel Medizin