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Tischsitten


Mahlzeiten waren eine gemeinschaftliche Handlung, bei der die Dienstboten im selben Raum speisten wie ihre Herrschaften. Das galt für die Mitarbeiter mittelalterlicher Handwerksbetriebe ebenso wie für große adelige Haushalte. Der englische Bischof Robert Grosseteste riet im 13. Jahrhundert der Countess von Lincoln, Mahlzeiten außerhalb des Speisesaales strikt zu untersagen, um so Verschwendung zu vermeiden. Er empfahl ihr auch darauf zu achten, dass die Bediensteten die Überreste der Mahlzeiten tatsächlich als Almosen an die Bedürftigen verteilten und nicht heimlich selbst verzehrten. Die großen Festmähler in den mittelalterlichen Residenzen waren der Öffentlichkeit sogar uneingeschränkt zugänglich. Beim Krönungsmahl des französischen Königs im Jahre 1380 war der Andrang an geladenen Gästen, Bediensteten und Armen so groß, dass man die Mahlzeiten schließlich zu Pferde auftrug, weil man sich keinen anderen Weg wusste, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.

Im frühen Mittelalter waren Frauen von Banketten und Festmahlen ausgeschlossen; sie aßen unter sich in den Frauengemächern. Erst mit der Zeit des Minnekultes wurde ihre Anwesenheit bei den adeligen Festmahlen üblich. Beim Gildemahl waren sie immer ausgeschlossen. Stühle und Bänke standen bei adeligen Festmahlen nur an einer Seite des Tisches, damit die Pagen von der anderen Tischseite aus servieren konnten. Die Sitzordnung wurde von der Hierarchie bestimmt und diese legte auch fest, dass der Rangniedere dem Ranghöheren die Speisen anzureichen und ihm die besten Stücke vorzulegen hatte. Nur wenige dürften aber so weit gegangen sein wie im Jahr 1356 Edward of Woodstock, der nach seinem Sieg in der Schlacht von Maupertuis den von ihm gefangen gesetzten französischen König Johann II. nicht nur zu einem Gastmahl einlud, sondern ihn persönlich bediente und ihm kniend die Speisen anreichte.


Das Stundenbuch des Herzogs von Berry, ca. 1410.

Johann von Valois bei einem großen Mahl. Der Herzog sitzt an einem hohen Tisch unter einem luxuriösen Baldachin vor dem Kamin. Auf dem Tisch links vom Herzog ist ein goldenes Salzfässchen in Form eines Schiffs.



Zu jedem Gang eines adeligen Banketts wurden mehrere Gerichte aufgetragen, von denen ein Gast aber keineswegs von allen aß. Gerichte wurden den ranghöchsten Personen zuerst angeboten. Den Personen, die entsprechend ihres Ranges an den Tischenden saßen, wurde nur serviert, was Ranghöhere nicht verzehrten. Von Frauen wurde besondere Mäßigung erwartet, so dass sie sich häufig vorher in den Frauengemächern satt aßen. Vor dem Mahl und zwischen den Gängen reichten Knappen den Gästen flache Wasserschalen und Leinentücher, damit sie sich die Hände waschen konnten. Wer sich die fettigen Finger an der Kleidung abwischte, hastig aß oder unmäßig trank, verstieß nicht nur gegen die guten Sitten: Die mittelalterliche Gesellschaft schloss vom Verhalten bei Tisch auf den Charakter und Stand eines Menschen. Dies findet sich auch in mittelalterlichen Literatur wieder: In Joanot Martorells Roman „Tirant lo Blanc“ beweist der Eremit seine adelige Herkunft durch seine Tischetikette; in Konrad von Würzburgs Erzählung „Engelhart“ wird der als Gefährte gewählt, der mit höfischer Anmut den Apfel teilt. Benimmschriften wie das „Themophagia“ oder die „Disciplina clericalis“ des spanischen Hofklerikers Petrus Alfonsi, die beide im 12. Jahrhundert erschienen, halfen, das richtige Benehmen bei Tisch zu erlernen. Da noch im 15. Jahrhundert Benimmschriften wie „S’envuivent les contenances de la table“ oder „Von tisch zucht“ der Augsburger Bürgerin Clara Hätzerlin mahnten, dass man sich nicht ins Tischtuch schnäuze oder zuerst in die Schüssel greife, dauerte es, bis sich ein allgemeiner Verhaltenskodex bei Tisch durchsetzte.

Gildemahle waren im Vergleich zu den adeligen Gastmählern einfacher. Meist wurde zu jedem Gang nur ein Gericht aufgetragen; die Anzahl der Gänge war vom Reichtum der Gilde abhängig. So gab es beim spätmittelalterlichen Gildemahl der wohlhabenden Kramergilde Osnabrücks im Spätmittelalter nacheinander Huhn, Dörrfleisch mit Erbsenbrei, Rindfleisch mit Senf, Braten, gelben Brei als Süßspeise und schließlich Käse mit Butter. Die Schuhmachergilde dagegen beschränkte sich bei ihrem Festmahl auf Potthast, Braten, Käse und Butter.

Die Gänge, die aus der Küche in den Speisesaal getragen wurden, wurden meist auf Platten oder in großen Töpfen serviert. Während man in armen Haushalten seine Portion häufig direkt vom Tisch aß, dienten in wohlhabenden Haushalten Scheiben aus altem Brot oder Teller aus Holz oder zunehmend auch Zinn als Unterlage für die einzelnen Portionen. Grundsätzlich waren aber auch reiche Haushalte bis ins 14. Jahrhundert arm an Geschirr. Am Brot wurden auch die Messer abgewischt, bevor man sich damit Salz aus dem Salzfässchen nahm oder das Messer an den Tischnachbarn weiterreichte. Die mit Fett und Bratensaft getränkten Scheiben aß man am Ende der Mahlzeit auf oder verteilte sie in reichen Haushalten an die Bedürftigen. Das kunstvolle Tranchieren einzelner Fleischstücke fand im Verlauf des Mittelalters zunehmend im Speisesaal statt und gehörte zu den unterhaltsamen Bestandteilen des Festmahls. Der Tranchierende zählte gewöhnlich zu den ranghöchsten der anwesenden Männer und stellte mit einem gewandten Vorgehen seine Kultiviertheit unter Beweis. Von den Gästen erwartete man, dass sie ihr eigenes Messer mitbringen würden, um ihre Fleischportion feiner zu schneiden. Nur hoch gestellte Gäste konnten erwarten, dass ihnen der Gastgeber ein Messer am Platz bereit legen würde. Dagegen fand der Gast Löffel meist an seinem Platz vor. In sehr wohlhabenden Haushalten waren sie häufig aufwändig gearbeitet und wiesen gelegentlich Griffe aus Bergkristall, Elfenbein oder Perlmutt auf.

Während Gabeln in der byzantinischen Kultur mindestens seit dem 6. Jahrhundert in Gebrauch und im 10. Jahrhundert weit verbreitet waren, machte die westliche Kirche gegen sie geltend, dass die menschlichen Finger würdig genug seien, Gottes Gaben zu berühren. Die Gabel wurde aufgrund ihrer Form als Werkzeug des Teufels angesehen und daher nicht verwendet. Bei den heidnischen Normannen, die die Gabel vermutlich in Byzanz kennengelernt hatten, waren zweizinkige Modelle in Gebrauch, wie Funde in Birka und Haithabu belegen. Der Gabelgebrauch am byzantinischen Hof war beeinflusst von einer anderen Zubereitungs- und Servierweise dieser Kultur. Speisen wurden kleingeschnitten und auf einer Vielzahl von kleinen Schüsseln und Tellern serviert. Der einzelne Tischgast nutzte eine ihm individuell zur Verfügung stehende Gabel, um sich daraus zu bedienen. Erst gegen Ende des Mittelalters stellten Gabeln auch in Mitteleuropa keine schockierende Neuerung mehr dar. Eine der byzantinischen Kultur vergleichbare Nutzung von Gabeln hat sich in der europäische Esskultur jedoch erst in der frühen Neuzeit durchgesetzt.

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